Mein Leben ohne Puls
Wie ein Herzunterstützungssystem (LVAD) seit sieben Jahren täglich das Leben von Kurt M. rettet.
Seit Jahren steigt die Anzahl der Patienten, die an einer Herzinsuffizienz erkranken. In Deutschland sind mittlerweile mehr als zwei Millionen Menschen von der fortschreitenden Erkrankung betroffen. Damit ist Herzinsuffizienz inzwischen die häufigste Einzeldiagnose von stationär behandelten Patient:innen. So steckt hinter der Erkrankung eine Dynamik, von der die wenigsten Menschen wissen: Erfolgt keine individuell zugeschnittene und sofortige Behandlung, können Patient:innen innerhalb von wenigen Jahren sterben. Das muss auch Kurt M., der früher erfolgreich als Bauunternehmer tätig war, am eigenen Leib erfahren. „Während ich zu Beginn nur leichte Atembeschwerden hatte, verschlechterte sich mein körperlicher Zustand im Laufe der Zeit. Stück für Stück musste ich mich beruflich einschränken und schließlich ganz aufhören zu arbeiten“, berichtet der Frührentner. Neben einer medikamentösen Therapie ergaben sich für den heute 60-Jährigen viele Krankenhausaufenthalte.
Vor sieben Jahren ist er im letzten Stadium der Erkrankung angekommen. Charakteristisch dafür ist, dass Patient:innen nicht nur bei Belastung, sondern auch im Ruhezustand unter Symptomen wie Kurzatmigkeit, Schwäche und Müdigkeit, Angina pectoris sowie Ödemen leiden. Im Fall von Kurt M. kommt darüber hinaus eine Wasseransammlung in der Lunge hinzu. Ursächlich dafür ist, dass sich bei Erkrankten der Blutfluss verringert und damit auch die Versorgung der Organe. Während bei einem gesunden Menschen unter Anstrengung bis zu sieben Liter Blut pro Minute durch den Körper gepumpt werden, reduziert sich der Blutfluss bei Menschen mit Herzinsuffizienz auf zwei bis drei Liter pro Minute. Neben einem sogenannten kardiorenalen Syndrom, einer Verschlechterung der Nierenfunktion, büßen dann auch die Extremitäten bei der Durchblutung ein und fühlen sich kalt an.
Im letzten Stadium der Insuffizienz benötigen Patient:innen in der Regel ein neues Herz. Derzeit finden in Deutschland circa 300 Herztransplantationen pro Jahr statt, der Bedarf ist allerdings mehr als doppelt so hoch. Nur einer der Gründe, warum Herzunterstützungssysteme zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die sogenannte LVADs werden immer kleiner und technisch ausgereifter. Sind früher viele Menschen auf der Warteliste für eine Organspende gestorben, bieten diese Geräte heute eine lebensrettende Alternative. So auch für Kurt M., der 2014 erstmals in die Medizinische Hochschule Hannover kommt. „Zu diesem Zeitpunkt war ich vermeintlich am Ende meines Lebens angelangt. Ich brach zusammen und fiel ins Koma. Als ich wieder erwachte, hatte ich die Wahl: ein Kunstherz oder der sichere Tod“, berichtet Kurt M. von dieser Zeit.
Das Ärzteteam der Medizinischen Hochschule Hannover bietet ihm die Möglichkeit, ein neues System eingesetzt zu bekommen: Abbotts HeartMate™ 3. „Obwohl die Herzpumpe noch ganz neu war, stimmte ich der Implantation zu. Einer muss ja immer der Erste sein“, schmunzelt der Patient über seine Entscheidung. Und so erfolgt an seinem 56. Geburtstag der Eingriff, der ihm ein zweites Leben schenkt. Durch das Einsetzen des HeartMate 3-Systems kann die Blutzirkulation wieder hergestellt werden. Mithilfe der kleinen Herzpumpe wird das Blut wie gewohnt über die Aorta im ganzen Körper verteilt. Um eine permanente Versorgung zu gewährleisten, wird das System über ein elektrisches Kabel, das an der Bauchdecke des Patienten austritt, mit Strom versorgt. Dafür muss ein LVAD-Träger permanent einen kleinen Rucksack mit wiederaufladbaren Batterien mit sich tragen.
Die Implantation und die Nachsorge verlaufen reibungslos, sodass Kurt M. das Krankenhaus bereits nach zweieinhalb Wochen verlassen und zur anschließenden Reha-Maßnahme reisen kann. „Direkt nach dem Eingriff bekam ich wieder Luft, nach zwei weiteren Wochen stand ich bereits am Grill und sechs Wochen nach der Operation habe ich einen Fünf-Kilometer-Waldlauf absolviert. Das war für mich selbst umso beeindruckender, da ich vor dem Eingriff keine 50 Meter am Stück gehen konnte“, erzählt der Vater von vier Töchtern, die ihm in der ganzen Zeit viel Mut und Lebensgeist spenden und rund um die Uhr für ihn da sind.
Bei einem Leben mit Kunstherz empfehlen Mediziner darüber hinaus eine Gesprächstherapie. „Im ersten Jahr nach der Operation spielt die Psyche eine große Rolle. Denn natürlich ist der Gedanke, von dieser Technik abhängig zu sein, erst einmal beängstigend. In meinem Fall haben drei Dinge geholfen: Ablenkung, Ablenkung und nochmals Ablenkung. Ich hatte endlich wieder Zeit und Kraft, mich meinen Hobbys zu widmen. Ich liebe Oldtimer und habe all meine Energie dort hineingesteckt“, berichtet Kurt M., der durch sein Herzunterstützungssystem in den vergangenen sieben Jahren vom letzten in das erste Stadium der Herzinsuffizienz zurückgefunden hat, und fügt hinzu: „Ich bin wieder mitten im Leben angekommen und verspüre unendlichen Dank gegenüber dem gesamten Stationsteam, meiner Familie und meinen Freunden. Bis heute und auch in Zukunft sind das die wichtigsten Bande, die mir Kraft und Zuversicht für jeden neuen Tag meines Lebens geben. Die Zuneigung, Freundschaft, das Für-einander-da-Sein sind im Leben die wichtigste und beste Arznei, die einem Menschen widerfahren kann. Aus ihnen resultiert die Kraft, die für jede Genesung nötig ist. All das hat es möglich gemacht, dass ich meinem zweitliebsten Hobby wieder nachgehen kann: der Erkundung von Südeuropa in meinem Wohnmobil.“
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