Gemeinsam aktiv werden

Warum Bewegung dem Herzen guttut.

HERZGESUNDHEIT    |    Sep. 1, 2022

Bewegung senkt den Blutdruck und wirkt sich günstig auf die Blutfettwerte – z.B. das LDL-Cholesterin­– aus1, kräftigt die Muskeln und die Herz-Fitness und somit die Sauerstoffversorgung der Zellen und verbessert nachhaltig die Lebensqualität und -prognose.2Körperliche Aktivität ist des Menschen Medizin. Während ein „bewegter“ Lebensstil früher zur Prävention von Arteriosklerose (Gefäßverkalkung), Diabetes Typ 2 und anderen Zivilisationskrankheiten empfohlen wurde, weiß man heute, dass ein gezieltes körperliches Training auch Patient:innen mit einer koronaren Herzerkrankung2, milden Klappenerkrankungen oder Arrhythmie-Episoden6,3 und sogar Implantaten oder Kunstherzen4 guttun kann. Dabei ist das richtige Maß für die vorteilhafte Wirkung von großer Wichtigkeit.


Egal ob Post-OP, in der Reha oder für das Anschlusstraining: Wie oft, wie intensiv und in welcher Form die Bewegungstherapie durchgeführt wird, sollte stets sehr individuell von dem/der betreuenden Mediziner:in festgelegt werden. Deshalb wird – in Abhängigkeit von der Art der Herzerkrankung und dem aktuellen Behandlungsstadium – die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit bei Patient:innen durch ein therapeutisches Team vor und während der Behandlung regelmäßig überprüft. Auf Basis dieser Diagnostik wird das ideale Trainingsprogramm erstellt und im späteren Therapieverlauf dem aktuellen Gesundheitsstatus angepasst.


Tipp:
 Menschen mit Herzerkrankungen und ihre engen Angehörigen können diesen Austausch mit dem/der Mediziner:in sehr gut nutzen, um Fragen z.B. zu Eignung gemeinsamer sportlicher Hobbys oder den möglichen Effekten des Trainings auf die Medikamentengabe zu stellen.


Herzgesundheit: Moderater Ausdauersport ist vorteilhaft


Nordic Walking, Radfahren, moderates Wandern– auch mit einer Herzerkrankung sind Ausdauersportarten ideal.1 Das Training sollte dabei mindestens zwei Stunden in der Woche – möglichst gleichmäßig aufgeteilt auf mehrere Tage – mit einer Intensität von 55-70 % der maximalen Leistungsfähigkeit durchgeführt werden. Eine ideale Ergänzung ist ein leichtes Kraftausdauertraining (große Muskelgruppen, mehrfache Wiederholungen mit niedrigem Gewicht) sowie Übungen zur Schulung der Koordination und des Gleichgewichtssinnes (z.B. moderates Tanzen, Gymnastik).36 Haben Patent:innen ein mittleres bis hohes Risiko für kardiale Komplikationen, sollte zuerst ein monitorisiertes Trainingsprogramm mit einer deutlich niedrigeren Belastung in Begleitung einer physiotherapeutischen Fachkraft durchgeführt werden.1

Patient:innen, die an einer Herzinsuffizienz erkrankt sind, leiden häufig auch unter Luftnot, deshalb ist es für diese Betroffenen wichtig, die Intensität ihres strukturierten Ausdauertrainings individuell und pulsfrequenzgesteuert auf der Basis einer Spiro-Ergometrie festzulegen.16 Die Spiro-Ergometrie ist ein spezieller Leistungstest in Ruhe und unter körperlicher Belastung, der das Zusammenspiel von Herz, Lunge, Kreislauf und Energiestoffwechsel zuverlässig misst. Ist die allgemeine Belastbarkeit stark eingeschränkt, kann ein spezielles Intervalltraining erforderlich sein.4


Auch im Falle einer Herzinsuffizienz ist ein ergänzendes dynamisches Krafttraining sinnvoll, denn es fördert den Aufbau der Muskulatur und den Erhalt der Knochendichte.7Hier sollte mit wenig Gewicht und einer erhöhten Wiederholungszahl gearbeitet werden, denn eine hohe muskuläre Anstrengung z.B. beim Gewichtheben, bewirkt in den meisten Fällen eine Pressatmung und kann so durch den Druckanstieg im Brustkorb zu einer reduzieren Pumpleistung des Herzes führen.

Wichtig zu wissen: Wenn ein Herzschrittmacher oder Kardioverter Defibrillator (ICD) implantiert wurde, orientiert sich das Bewegungstraining und die Belastungsintensität im Wesentlichen an der zugrunde liegenden Herzerkrankung. 4 Besteht z.B. abgesehen von einer Herzrhythmusstörung keine Durchblutungsstörung des Herzens oder eine Herzschwäche, kann nach einem ausführlichen Check-up in der kardiologischen Praxis ohne Hindernisse regelmäßig Sport getrieben werden.4 Wenn diese Patient:innen intensiv Sport treiben wollen, sollte dies bei dem regelmäßig durchgeführten Nachsorgetermin besprochen werden. Gegebenenfalls kann die Programmierung des Implantates entsprechend angepasst werden.

 

Fit mit Familie & Co: Regelmäßigkeit ist Trumpf!


Wenn es um die körperliche Aktivität geht, gilt für gesunde wie auch herzkranke Menschen, dass regelmäßige Sporteinheiten gegenüber seltenen, starken Belastungen zu bevorzugen sind! Regelmäßigkeit erfordert Motivation, denn eines steht fest: Den Schweinehund überwindet man gemeinsam leichter als allein. Direkt nach der Reha bietet zum Beispiel die Teilnahme an einer Herzsportgruppe ein sicheres Gefühl beim Training und die Möglichkeit des Austausches zwischen Gleichgesinnten. Die Gruppen orientieren sich an den medizinischen Leitlinien zur Bewegungstherapie und werden von gründlich geschulten Trainer:innen geleitet. Informationen zu Herzsportgruppen können über die kardiologische Praxis in Erfahrung gebracht werden. Im privaten Umfeld können Patient:innen üben, das Gelernte aus der Herzsportgruppe auch daheim umzusetzen und sich mit ihren Typ-F Menschen oder andere Freund:innen verabreden.


Wichtig zu wissen:
Das gemeinsame Aktivsein im privaten Umfeld macht allen Beteiligten meist viel Spaß, birgt allerdings gerade bei ehrgeizigen Patient:innen auch das Risiko sich körperlich zu übernehmen. Hier können Sie als Typ F viel tun, um dies zu vermeiden. Worauf Sie beim gemeinsamen Sporteln mit einem herzkranken Menschen achten sollten, haben wir deshalb für Sie in dieser Checkliste zusammengefasst:

  • Ein (neues) sportliches Hobby sollte vor dem gemeinsamen Trainingsstart bereits mit der kardiologischen medizinischen Fachkraft abgeklärt werden. Einige wenige sportliche Hobbys wie z.B. Tiefseetauchen oder Kampfsportarten sind für manche herzkranke Menschen nicht geeignet.
  • Starten Sie die körperliche Freizeitaktivität langsam und spielerisch, damit der Körper aller Beteiligten sich an die Anstrengung gewöhnen kann
  • Halten Sie die Intensität auf moderatem Niveau
  • Während des Trainings ist leichtes Schwitzen erwünscht
  • Die Atemfrequenz sollte nur leicht erhöht sein. Ideal ist es, wenn sich die herzkranke Trainingspartner:in beschwerdefrei und in ganzen Sätzen mit Ihnen unterhalten kann
  • Bei belastungsabhängigen Symptomen gilt: Während der körperlichen Aktivität sollte stets nur bis zu der Intensität belastet werden, bei der Symptome, wie z.B. Kurzatmigkeit oder starkes Schwitzen auftreten.4
     

Download: Workout für alle


Quellen:


1
Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und ihren Folgeerkrankungen (DGFF) Lipid Liga e.V., Erhöhte Triglyzeride, Patientenratgeber, 2017
2 Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale Versorgungsleitlinie Chronische KHK – Langfassung, 5. Auflage. Version 1. 2019 https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/nvl-004l_S3_KHK_2019-04.pdf.
3 Joeng, Sang-Woo et al. Mortality reduction with physical activity in patients with and without cardiovascular disease, European Heart Journal (2019) 40, 3547–3555 doi:10.1093/eurheartj/ehz564
4 Elliott A.D. et al.: Association between physical activity and risk of incident arrhythmias in 402 406 individuals: evidence from the UK Biobank cohort. European Heart Journal, ehz897, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehz897
5 Deutsche Herzstiftung e.V., Sport mit Herzschrittmacher und implantiertem Defibrillator (SD50), Stand Oktober 2019
6Nkomo VT, Gardin JM, Skelton TN, Gottdiener JS, Scott CG, Enriquez-
Sarano M, Burden of valvular heart diseases: a population-based study.
Lancet 2006j 368 (9540):1005-1011
7Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale Versorgungsleitlinie Chronische Herzinsuffizienz – Langfassung, 3. Auflage. Version 3. 2019 [cited: YYYY-MM-DD]. DOI: 10.6101/AZQ/000482. www.leitlinien.de/herzinsuffizienz